Die Bundesregierung treibt die Legalisierung von Cannabis-Produkten voran und löst damit ein Wahlversprechen ein. Eine Mehrheit der Ärzte befürwortete bereits 2017 in einer Umfrage von coliquio, einer Dialogplattform für Medizin, diesen Schritt. Zwar haben Cannabis als Genussmittel und medizinisches Cannabis wenig miteinander zu tun, aber ein breiteres legales Angebot könnte auch die Beschaffung von Cannabis zu Therapiezwecken einfacher und billiger machen, so die Hoffnung. Denn sinnvolle Anwendungsbereiche gibt es ganz sicher, vor allem in der Schmerztherapie.
Seit fast fünftausend Jahren im Gebrauch
Kaiser Shen Nung gilt als Begründer der traditionellen chinesischen Medizin. Bereits 2700 vor Christus beschrieb er die heilende Wirkung der Hanfpflanze, die zu dieser Zeit schon seit zehntausend Jahren zur Herstellung von Seilen kultiviert wurde. Die Isolierung des Cannabidiol (CBD) und die Aufschlüsselung seiner chemischen Struktur gelang aber erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. In Deutschland dürften Schmerzpatienten den 19. Januar 2017 rot im Kalender angestrichen haben: Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis für den medizinischen Gebrauch wurde beschlossen. Knapp zwei Monate später trat die Neuregelung in Kraft. Zehn Jahre lang, seit 2007, war eine Sondererlaubnis der Bundesopiumstelle erforderlich, um Linderung durch Cannabis zu erfahren. Diese wurde aber nur selten erteilt, Patienten wurden in die Illegalität getrieben. Die Krankenkassen zahlten für die Behandlung ohnehin nicht.
Cannabis nicht nur auf Rezept
Seit fünf Jahren lang können Ärzte und Patienten nun schon Erfahrungen sammeln mit Cannabisblüten und deren Extrakten auf Rezept. Rund 90.000 Verschreibungen gab es in dieser Zeit. Da die Mittel zu therapeutischen Zwecken verordnet werden, sind sie auch für Kassenpatienten zugänglich – mit entsprechenden Kosten für die Sozialkassen. Mehr als hundert Indikationen für Cannabis sind bekannt oder in der Diskussion, bei dieser großen Zahl fehlt es aber an klinischen Studien. Die Wirkungsweise von Cannabis in unserem Körper hat die Medizin seit 1988 schrittweise entschlüsselt. Zunächst wurden Hinweise darauf entdeckt, wie körpereigene Endocannabinoide als Botenstoffe funktionieren. Die Wirkstoffe aus den Cannabisblüten docken an dieses Rezeptorsystem an. Der Rezeptor CB1 befindet sich vornehmlich im Gehirn und reagiert auf das berauschende THC (Tetrahydrocannabinol).
Medizinisch interessant ist aber auch der Rezeptor CB2, der sich im gesamten Körper befindet. Die genauen Effekte sind noch nicht abschließend erforscht, beobachtet werden Wirkungen auf das Immunsystem, Leber, Muskeln, Herz und Haut. Hier sollte jeder aufhorchen, der Cannabisprodukte einmal ausprobieren möchte, aber kein Cannabis auf Rezept bekommen kann. Denn wenn der THC-Gehalt unter 0,2 % beträgt, kann man in einer Cannabisöl Apotheke oder in einschlägigen Onlineshops CBD-Öl jederzeit legal kaufen. Die gesundheitsfördernde Wirkung wird rund achtzig verschiedenen Cannabinoiden und insgesamt vierhundert Wirkstoffen wie Mineralien, Proteinen, Vitaminen und ungesättigten Fettsäuren zugeschrieben.
Einsatz in der Schmerztherapie bei chronischen Erkrankungen
Schmerzfreiheit wird zwar in der Regel auch durch Cannabis nicht erreicht. Aber viele Patienten berichten von einer geringeren Wahrnehmung ihrer Schmerzen und von einem besseren Schlaf, der nicht vom Schmerz unterbrochen wird. Die besten Erfahrungen gibt es bei chronischen Nervenschmerzen und spastischen Muskelverkrampfungen. Bei akuten Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen und muskulären Schmerzen, zum Beispiel Rückenbeschwerden, ist die Wirkung dagegen weniger deutlich belegt.
Bild: Bigstockphoto.com / HannaKuprevich
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